Die Gräber der Sozialdemokraten

In die Ringmauer der Gedenkstätte sind auf der linken Seite 23 Grabsteine von Sozialdemokraten, die schon früher dort beigesetzt waren, eingefügt. Darunter befinden sich:

Ignaz Auer

19.4.1846 Dommelstadl b. Passau-10.4.1907 Berlin

 

Er wurde als neuntes Kind eines Metzgers geboren, der bereits zwei Jahre später starb und die Familie in bitterer Armut zurückließ. Nach einer Sattlerlehre 1859 bis 1863 schloß sich Auer als Wandergeselle 1869 der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) an. In Berlin engagierte er sich für die Gründung des Allgemeinen Deutschen Sattlervereins, dessen Vorsitzender er 1872 mit 26 Jahren wurde. In der SDAP ist man frühzeitig auf sein Organisationstalent aufmerksam geworden und schickte ihn 1873 nach Dresden, wo er die Expedition des „Dresdner Volksboten" übernahm und die Wahlkampfvorbereitungen der SDAP zur Reichstagswahl 1874 in Sachsen leitete.

 

Auf dem Gothaer Vereinigungskongreß der „Eisenacher" und der „Lassalleaner" 1875 referierte er über Organisationsfragen und Presse; er wurde zum Sekretär der vereinigten Partei gewählt. Seit 1877 war er mehrmals Reichstagsabgeordneter, zuletzt 1890 bis 1906. Unter dem Sozialistengesetz verfolgt, erwarb er sich große Verdienste in der illegalen Arbeit. So organisierte er den Parteikongreß 1883 in Kopenhagen, wofür er anschließend in Deutschland eine Gefängnisstrafe von neun Monaten verbüßte. 1890 wurde er in den SPD-Parteivorstand gewählt, in dem er in den folgenden 15 Jahren die Fäden des Organisationsapparates fest in den Händen hielt. In den innerparteilichen Auseinandersetzungen seit den 1890er Jahren stand er den revisionistischen Auffassungen Eduard Bernsteins, mit dem er eng befreundet war, nahe, bemühte sich aber um Ausgleich zwischen den unterschiedlichen Positionen.

Ignaz Auer. Bildarchiv SAPMO-BArch Y10-18951

Paul Singer

16.1.1844 Berlin-31.1.1911 Berlin

 

Aus einer verarmten und kinderreichen jüdischen Händlerfamilie stammend, begann Paul Singer mit 14 Jahren eine kaufmännische Lehre. Zu Wohlstand verhalf ihm erst die mit seinem Bruder 1869 gegründete Mantelfabrik. Politisch interessiert, schloss er sich Anfang der 60er Jahre zunächst linken Liberalen an. 1868 begann die lebenslange Freundschaft und Zusammenarbeit mit Wilhelm Liebknecht und August Bebel. Der Demokratische Arbeiterverein, dessen Mitglied er war, schloss sich 1869 der neugegründeten SDAP an. Singer unterstützte die Sozialdemokratie finanziell, blieb aber vorerst im Hintergrund. Sein soziales Engagement galt ab 1875 dem „Berliner Asylverein für Obdachlose", für den er sein Leben lang wirkte. Als die Sozialdemokratie 1878 verboten wurde, wurde er für sie aktiv und entwickelte sich zum Berliner Vertrauensmann der illegalen Parteileitung.

Paul Singer verband enge Freundschaft mit Wilhelm Liebknecht und vor allem mit August Bebel, von Friedrich Engels wurde er geschätzt. In der Arbeiterschaft war er außerordentlich populär. Obwohl der jüdischen Religion gegenüber distanziert, trat er nie aus der jüdischen Gemeinde aus. Bildarchiv SAPMO-BArch Y10-635/77

1883 wählte man ihn zum Berliner Stadtverordneten, 1884 in den Reichstag. Zwei Jahre später aus Berlin ausgewiesen, zog er nach Dresden. Nach dem Ende des Sozialistengesetzes 1890 wählte ihn die SPD zu einem ihrer beiden Vorsitzenden - eine Funktion, die er zwei Jahrzehnte ausübte. Als Parteichef lehnte er Kompromisse mit bürgerlichen Parteien ab, verfocht die Beibehaltung revolutionärer Ziele auch bei Reformarbeit, und wandte sich gegen den Revisionismus Eduard Bernsteins. Mit Wohlwollen verfolgte er den Aufstieg junger Kräfte wie Rosa Luxemburg. Er leitete fast alle Parteitage, galt als geschickter Parlamentarier und zeichnete sich auch in der Berliner Kommunalpolitik aus. Er war wiederholt antisemitischen Anfeindungen ausgesetzt.

Eine FDGB-Delegation am Grab Paul Singers 1947. Testamentarisch hatte Singer verfügt, in Friedrichsfelde beigesetzt zu werden. Hunderttausende begleiteten ihn auf seinem letzten Weg. 1913 wurde ihm von den sozialdemokratischen Wahlvereinen Berlins der heute noch vorhandene Gedenkstein in Form eines Obelisken gesetzt. Der Entwurf stammt von Stadtbaurat Ludwig Hoffmann. Neues Deutschland

Hugo Haase

29.9.1863 Allenstein/Ostpreußen-7.11.1919 Berlin

 

Hugo Haase war der Sohn eines jüdischen Schuhmachers und späteren Kaufmanns. Er konnte Rechts- und Staatswissenschaften studieren und sich in Königsberg als Rechtsanwalt niederlassen. Haase vertrat viele einfache Leute in politischen Prozessen. Karl Liebknecht verteidigte er im Hochverratsprozess von 1907. Bereits SPD-Mitglied, wurde er 1894 in die Königsberger Stadtverordnetenversammlung, später viermal in den Reichstag gewählt. Nach Paul Singers Tod war er (bis 1916) einer der beiden Parteivorsitzenden der SPD. Deshalb zog er 1911 nach Berlin, arbeitete aber weiter als Anwalt und blieb ehrenamtlicher Parteifunktionär.

Hugo Haase. Bildarchiv SAPMO-BArch Y10-1448/68

Als Vorsitzender der Reichstagsfraktion begründete Haase am 4.8.1914 die Zustimmung seiner Fraktion zu den Kriegskrediten, obwohl er sich zuvor vehement dagegen ausgesprochen hatte. 1915 erklärte er sich öffentlich gegen den Krieg und stimmte gegen die Kredite. Er beteiligte sich an der Gründung der USPD und wurde 1917 einer ihrer Vorsitzenden. Nach der Novemberrevolution stand er zusammen mit Friedrich Ebert an der Spitze des Rates der Volksbeauftragten, in dem er einer der drei USPD-Vertreter war. Ende Dezember 1918 verließen letztere jedoch den Rat der Volksbeauftragten aus Protest gegen die Politik der Mehrheitssozialdemokraten. 1919 wurde Haase in die Nationalversammlung gewählt. Im Oktober des selben Jahres trafen ihn drei Schüsse, als er sich mit seiner Frau dem Reichstagsgebäude näherte. Vier Wochen später starb er an den Folgen des Attentats. Er wurde ein Opfer der politischen und antisemitischen Hetze rechtsextremistischer Kreise gegen prominente Vertreter der Revolution.


Hugo Haase spricht für den Rat der Volksbeauftragten bei der Beisetzungsfeier der Opfer der Revolution auf dem Tempelhofer Feld in Berlin am 20. November 1918. E. Haase: Hugo Haase. Sein Leben und Wirken, 1929



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