Die Urnengräber in der Ringmauer
1950 beschloss das Politbüro der SED, verdiente Persönlichkeiten der Arbeiterbewegung in der Gedenkstätte zu bestatten und behielt sich die Entscheidung vor, wer in der Ringmauer ein Ehrengrab erhalten sollte. 1951 wurde als erste die Urne Kurt Fischers beigesetzt. Insgesamt sind hier 68 Urnen bestattet, darunter sechs von Frauen.
Mit Ausnahme einiger jüngerer Politiker waren alle hier Geehrten im antifaschistischen Widerstand aktiv. Viele waren Sozialdemokraten, die sich entweder nach 1919 als USPD-Mitglieder der KPD anschlossen oder 1946 SED-Mitglied wurden. Andere waren seit den 20er Jahren in der KPD und später in der SED organisiert. Für einige, z.B. Max Fechner, Anton Ackermann oder Franz Dahlem, stellte die Beisetzung an diesem Ort eine gewisse Wiedergutmachung für Diskriminierung oder Verurteilung dar, die sie aus parteipolitischen Gründen in den 50er Jahren erfahren hatten.
Die in den ersten zwei Jahrzehnten Beigesetzten gehörten unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen an; zu ihnen zählen auch Schriftsteller wie Friedrich Wolf, Erich Weinert und Willi Bredel oder der Schulreformer Paul Oestreich. Ab Mitte der 70er Jahre wurden hier vornehmlich Spitzenfunktionäre der SED bestattet.
Einladungskarte zur Urnenbeisetzung von Friedrich Wolf. Bis Anfang 1971 fanden 42 Urnenbeisetzungen in der Mauer statt. Platz für weitere 16 entstand, nachdem 27 kleinere Gedenktafeln durch eine große ersetzt wurden. Nach 1981 vergab das Politbüro weitere zehn Ehrengräber an den Mauern rechts vor dem großen Rondell. Die letzte Urnenbeisetzung für den Landwirtschaftssekretär des ZK der SED, Werner Felfe, erfolgte 1988. Bildarchiv SAPMO-BArch DY30/IV2/201/83
Martha Arendsee
29.3.1885 Berlin-22.5.1953 Berlin
Martha Arendsee war Tochter eines Buchdruckers. Nach Abschluss einer kaufmännischen Lehre arbeitete sie über zehn Jahre als Angestellte der Berliner Konsumgenossenschaft. In der SPD war sie seit 1906 Mitglied und dort für Frauenarbeit zuständig. Nach 1914 geriet sie in Konflikt mit der Burgfriedenspolitik der SPD-Führung und trat 1917 der USPD bei. 1920 in deren Zentrale gewählt, befürwortete sie die Vereinigung mit der KPD. Ihre sozialpolitische Sachkenntnis brachte sie als Abgeordnete im Preußischen Landtag und von 1924 bis 1930 im Reichstag ein, für den sie aber wegen ihrer Sympathien für den sogenannten rechten Parteiflügel nicht mehr nominiert wurde.
Sie war 1922/23 Frauensekretärin der Berliner KPD und redigierte bis 1933 sozialpolitische Zeitschriften. Von April bis September 1933 war sie in Haft und emigrierte 1934 über Prag und Paris nach Moskau. Ihr Mann, Paul Schwenk, war im Zuge der stalinistischen Säuberungen jahrelang inhaftiert. Als einzige Frau gehörte sie 1943 zu den Gründern des Nationalkomitees Freies Deutschland. Im Juni 1945 kehrte sie nach Deutschland zurück und widmete sich bis 1947 als Mitglied des Parteivorstands der KPD bzw. SED erneut der Frauenarbeit. Seit August 1945 gehörte sie dem Frauenausschuss beim Berliner Magistrat an und leitete ab 1946 die Abteilung Sozialpolitik des FDGB.
Martha Arendsee (rechts) mit Käthe Kern, um 1950. Bildarchiv SAPMO-BArch Y10-26221
Max Fechner
27.7.1892 Rixdorf (heute Berlin-Neukölln)-13.9.1973 Schöneiche b. Berlin
Der Sohn eines Maurers lernte Werkzeugmacher und arbeitete bis 1920 in seinem Beruf. Er trat 1908 der sozialistischen Arbeiterjugend bei und 1910 der SPD. Nach dreijähriger Soldatenzeit schloss er sich 1917 der USPD an und kehrte mit deren Minderheit 1922 in die SPD zurück. Als Mitarbeiter des SPD-Parteivorstands war er für Kommunalpolitik zuständig und zugleich Berliner Stadtverordneter. Er wurde im Juli 1933 verhaftet und blieb bis März 1934 in sogenannter Schutzhaft. 1944 war er erneut im Konzentrationslager inhaftiert.
1945 engagierte er sich als einer der Vorsitzenden des Zentralausschusses der SPD für die Vereinigung mit der KPD. Er wurde mit Walter Ulbricht stellvertretender Parteivorsitzender der SED und 1949 Justizminister der DDR. Bis 1953 gehörte er dem Parteivorstand bzw. ZK an. Nach dem 17. Juni 1953 verteidigte er öffentlich das Streikrecht. Kurz darauf wurde er verhaftet, seines Amtes enthoben, aus der SED ausgeschlossen und nach zweijähriger Untersuchungshaft unter fadenscheinigen Anschuldigungen zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt. 1956 amnestiert und aus der Haft entlassen, erhielt er 1958 die Parteizugehörigkeit zurück, wurde aber nie offiziell rehabilitiert.
Max Fechner, Oktober 1945. Bildarchiv SAPMO-BArch Y10-620/00
Otto Winzer
3.4.1902 (Berlin-)Reinickendorf-3.3.1975 Berlin
In einer Arbeiterfamilie aufgewachsen, lernte Otto Winzer Schriftsetzer und arbeitete bis 1922 in seiner Lehrfirma. Im Januar 1919 trat er der Freien Sozialistischen Jugend und im Herbst 1919 der KPD bei. Er arbeitete bis 1933 als Redakteur für den Verlag der Kommunistischen Jugend-Internationale (KJI) in Wien, Moskau und Berlin. Nach illegaler Arbeit für die kommunistische Gewerkschaftsbewegung in Berlin und mehrfachen Gestapo-Verhören emigrierte er 1934 über Frankreich und Holland in die Sowjetunion. Er war Mitarbeiter der Komintern, Redakteur im Verlag für fremdsprachige Literatur und beim Deutschen Volkssender in Moskau.
1945 kehrte er mit der Gruppe Ulbricht nach Deutschland zurück. Seit 1947 gehörte er dem Parteivorstand bzw. ZK der SED an, verantwortlich für Presse, Rundfunk und Information. Er war seit 1946 Berliner Stadtverordneter und seit 1950 Abgeordneter der Volkskammer der DDR. Von 1949 bis 1956 war er Staatssekretär und Chef der Privatkanzlei des Präsidenten der DDR, seit 1959 Erster Stellvertreter des Außenministers, ab 1965 bis Anfang 1975 Außenminister.
Außenminister Otto Winzer mit Indira Gandhi um 1966 in Berlin. Bildarchiv SAPMO-BArch Y10-777/82
Werner Lamberz
14.4.1929 Mayen/Rheinland-6.3.1978 Libyen
Werner Lamberz sah sich als Heranwachsender ernsten politischen Konflikten ausgesetzt: Der Vater, ein kommunistischer Funktionär, wurde 1933 für fünf Jahre ins KZ verschleppt und 1943 in das Strafbataillon 999 gesteckt. Der Sohn kam 1941 auf eine Nazi-Eliteschule (Napola) und wurde 1944, nachdem sein Vater zur Roten Armee übergelaufen war, von seiner Familie nicht mehr zur Schule gelassen. Ende 1945 siedelte er zu seinem Vater nach Luckenwalde über und lernte Heizungsmonteur. Er wurde Mitglied der FDJ und der SED und war seit 1948 hauptamtlicher Funktionär im FDJ-Apparat.
Nach einem Jahr Komsomol-Hochschule in Moskau 1952/53 war er Sekretär des Zentralrats der FDJ bis 1963 und von 1961 bis 1963 Vizepräsident der Deutsch-Afrikanischen Gesellschaft. Von 1963 bis 1966 war er hauptamtliches Mitglied der Agitationskommission beim Politbüro und Leiter der Arbeitsgruppe Auslandsinformation. 1965 wurde er Chef der Agitationsabteilung und war zuständig für Presse, Rundfunk und Fernsehen. Er sprach mehrere Sprachen und galt als dynamischer, feinfühliger und aufgeschlossener Intellektueller in der Parteiführung. Seit 1967 war er Mitglied des ZK der SED und seit 1971 des Politbüros. In den siebziger Jahren engagierte er sich zunehmend in der Außenpolitik.
Er starb bei einem Hubschrauberabsturz in Libyen. Im erstarrten Parteiapparat der SED betrachteten viele Lamberz als Hoffnungsträger für eine bessere DDR. In der bundesdeutschen Presse galt er als Honeckers „Kronprinz" und „Generalsekretär im Wartestand".
Werner Lamberz bei der Eröffnung des Parteilehrjahrs 1974/75 in Wismar am 1. Oktober 1974. Bildarchiv SAPMO-BArch Y10-626/00
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