Die Große Gedenktafel
Bereits 1946 sah Wilhelm Pieck in seinem Vorschlag für einen Ehrenhain zwei große Gedenktafeln für die in der Weimarer Republik und in der NS-Zeit Ermordeten vor. Bald wurde deutlich, dass das nicht ausreichen würde: 1947 waren bereits rund 2000 Namen erfasst.
Für die Gedenkstätte der Sozialisten stellte Pieck 1950 die Namen für insgesamt 26 Tafeln zusammen; eine siebenundzwanzigste enthielt Zahlenangaben über politische Opfer in der Weimarer Republik - insgesamt 1695. Von den namentlich Genannten waren nach Unterlagen des SED-Politbüros 36 eines natürlichen Todes gestorben, 12 wurden in der Weimarer Republik Opfer politischer Gewalt, 61 fielen im Spanischen Bürgerkrieg und 388 wurden zwischen 1933 und 1945 ermordet. Die Anzahl der Namen änderte sich durch Ergänzungen und Streichungen.
Titelblatt einer für die KPD 1935 zusammengestellten Broschüre. Solche Aufstellungen und weitere, 1949/50 vom Deutschen Institut für Zeitgeschichte und im ZK-Apparat der SED erstellte Opferlisten waren die Grundlage für die Namensaufzählung auf den Gedenktafeln. Bildarchiv SAPMO-BArch NY 4036/611, Bl. 273
Die 27 Tafeln brachte man an der rechten Innenseite der Ringmauer an. Davor bestattete man am 11. Januar 1951 die Urnen von zehn der genannten Opfer des Faschismus (OdF) zusammen mit 43 weiteren, nicht genannten. Sie stammten aus drei OdF-Sammelgräbern, die dem Bau der Gedenkstätte weichen mussten. Erst auf der heute vorhandenen Gedenktafel sind fast alle erwähnt.
Eine der ursprünglichen 27 Gedenktafeln. Die Tafeln, oft als Bronzetafeln bezeichnet, wurden in eloxiertem Aluminium ausgeführt. Auf einigen wurden später Namen ergänzt. Landesarchiv Berlin
1962 erwog das Sekretariat des ZK der SED, die Gedenktafeln raumsparend neu anzuordnen, um Platz für mehr Urnengräber in der Mauer zu schaffen und dabei auch Ergänzungen und Berichtigungen vorzunehmen. 1969 fiel die Entscheidung, alle Namen auf einer großen Bronzetafel zu vereinen. Der Bildhauer Hans Kies erhielt den Auftrag. Das Werk war im September 1971, allerdings in Stein, fertiggestellt. Noch vor der Januardemonstration 1972 wurden die 27 Tafeln durch die Große Tafel ersetzt.
N. S. Chruschtschow und N. A. Bulganin besuchen 1955 die Gedenkstätte der Sozialisten. Zweiter von rechts, Otto Grotewohl, erster von links, der (Ost-)Berliner Oberbürgermeister Friedrich Ebert jr. Im Hintergrund ist ein Teil der 27 Gedenktafeln an der Ringmauer zu sehen. Bildarchiv SAPMO-BArch Y10-628/00
Auf der Großen Tafel werden einige Opfer aus der Weimarer Republik aufgeführt. Antifaschisten - Tote des Hitlerregimes und des Spanischen Bürgerkriegs - sind in großer Zahl genannt. Das entsprach der politisch gewollten Hervorhebung des Antifaschismus als Bestandteil des Selbstverständnisses der DDR in Abgrenzung zur Bundesrepublik Deutschland.
Schüler der Rosa-Luxemburg-Oberschule in Berlin-Friedrichshain besuchen die Gedenkstätte am 12. Januar 1972. Rechts im Hintergrund die neu angebrachte Große Gedenktafel, links davon auf der Ringmauer die Spuren der entfernten kleinen Tafeln. Neues Deutschland
Das auf der Tafel wiedergegebene Spektrum politischer Strömungen ist relativ breit: Neben Kommunisten, wie dem 1944 hingerichteten Hamburger Funktionär Robert Abshagen der Berliner KPD-Unterbezirksfunktionärin Margarete Kaufmann, 1942 in SS-Haft verschollen, oder dem Bildhauer Kurt Schumacher, der zur Harnack/Schulze-Boysen Widerstandsgruppe gehörte, sind auch Parteilose, wie Schumachers Frau Elisabeth, Harro Schulze-Boysen oder der Anarchist Erich Mühsam vertreten.
Robert Abshagen (1911-1944). Im Hamburger Widerstand aktiv und bis 1939 mehrmals inhaftiert, bemühte er sich um die Zusammenfassung illegaler KPD-Gruppen. Auch zur Berliner Saefkow-Gruppe hatte er Verbindungen. 1942 verhaftet, wurde er 1944 verurteilt und hingerichtet. Bildarchiv SAPMO-BArch Y10-6408
Über ein Viertel der auf der Tafel Genannten waren Sozialdemokraten und Sozialisten, darunter der Dresdener Gewerkschaftssekretär Arthur Schille, 1936 ermordet; Frieda Rosenthal, die sich nach dem KPD-Ausschluss der SAP angenähert hatte, im Widerstand aber erneut für ihre frühere Partei tätig war und in der Haft Selbstmord beging, um ihre Weggefährten nicht zu verraten; Gustav Bludau, Leiter einer Widerstandsgruppe in Ostpreußen; der Ingenieur Leo Tomschik, der der Widerstandsgruppe Uhrig geheime Angaben über den Flugzeugbau in Spandau zukommen ließ, oder Hermann Maass, Mitarbeiter des Gewerkschaftsführers Wilhelm Leuschner, beide nach dem 20. Juli 1944 hingerichtet.
Leo Tomschik (1903-1944). Der gebürtige Österreicher und Sozialdemokrat gehörte seit 1940 der Widerstandsgruppe Uhrig an und war ab 1941 in deren Leitung. 1942 festgenommen und 1944 zum Tode verurteilt, nahm er sich in der Nacht vor der Hinrichtung das Leben. Bildarchiv SAPMO-BArch Y10-9249
Es sind auch Land- und Reichstagsmitglieder aufgenommen, die durch das NS-Regime umkamen, darunter der SPD-Abgeordnete, Arzt und Gesundheitspolitiker Julius Moses, in Theresienstadt 1942 ermordet, oder Franziska Kessel von der KPD, die sich 1934 in NS-Haft angeblich selbst tötete. Die auf der Tafel genannten Spanienkämpfer waren meistens Kommunisten, wie z.B. Franz Vehlow, der zusammen mit Hans Beimler 1936 bei Madrid umkam, oder Karl Thoma, alias Ernst Blank, Politkommissar der XI. Brigade, der sich an der Bildung eines Einheitskomitees mit Sozialdemokraten beteiligt hatte; aber auch die Namen der SPD-Mitglieder Otto Jürgensen und Hermann Drumm sind zu finden, die beide im Sommer 1937 fielen.
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