Die Gräber der Sozialdemokraten

Emma Ihrer

3.1.1857 Glatz/Schlesien-8.1.1911 Berlin

 

Emma Rother-Faber lernte den Beruf der Putzmacherin. Als sie 1881 nach Berlin kam, war Frauen noch untersagt, sich politisch zu betätigen. Dieses Verbot wurde erst 1908 aufgehoben. Emma, inzwischen mit dem Apotheker Emanuel Ihrer aus Velten verheiratet, trat dennoch in Versammlungen zur Gleichstellung der Frau und zur sozialen Lage der Arbeiterinnen auf. Im 1885 gegründeten „Verein zur Vertretung der Interessen der Arbeiterinnen" wurde sie in den Vorstand gewählt. Schon 1886 löste die Polizei den Verein auf; die Vorstandsfrauen wurden vor Gericht gestellt. Emma Ihrer ließ sich nicht einschüchtern und engagierte sich weiterhin für die Organisierung von Arbeiterinnen, so 1889 auf dem Internationalen Sozialistenkongress in Paris, zu dem sie mit Clara Zetkin delegiert war.

 

1890 gründete sie die Zeitschrift „Die Arbeiterin", die ab 1891 als „Die Gleichheit" erschien und von Clara Zetkin redigiert wurde. Mit dieser hatte sie bald Differenzen, da Zetkin die gewerkschaftlichen Positionen Ihrers für „reformistisch" hielt. 1890 war Emma Ihrer als einzige Frau in die Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands gewählt worden. Vorsitzender war Carl Legien, der ihr Lebensgefährte wurde. Legien unterstützte Emma Ihrer gegen den verbreiteten Widerstand männlicher Gewerkschafter, die in Frauenarbeit vornehmlich Konkurrenz sahen. Sie bildete eine Frauenagitationskommission, konstituierte ein gewerkschaftliches Frauenkomitee und 1905 das Arbeiterinnensekretariat bei der Generalkommission. Sie war an der Gründung mehrerer gewerkschaftlicher Verbände beteiligt und veröffentlichte 1898 die Schrift „Die Arbeiterin im Klassenkampf".

Emma Ihrer um 1903. Stets um die Gleichstellung vor allem der arbeitenden Frauen bemüht, führte sie auch persönlich ein emanzipiertes Leben. Obwohl verheiratet, lebte sie bis zu ihrem Tode mit Carl Legien in Niederschönhausen zusammen. Bei ihrer Beisetzung in Friedrichsfelde hielt Clara Zetkin die Trauerrede. Bildarchiv SAPMO-BArch Y10-443/71

Carl Legien

1.12.1861 Marienburg/Westpreußen-26.12.1920 Berlin

Carl Legien wuchs im Waisenhaus auf. Er lernte Drechsler, trat 1885 der Sozialdemokratie bei und wenig später in Hamburg dem Fachverein der Drechsler. Die Gewerkschaftsarbeit wurde sein Hauptbetätigungsfeld. Gegen viel Widerstand setzte er die Zentralisierung der zersplitterten Einzelgewerkschaften unter einer Generalkommission durch, deren Vorsitz er von 1890 bis zu seinem Tode innehatte. Er machte aus dem Dachverband eine schlagkräftige Organisation mit dem Ziel, die soziale Lage der Arbeiter zu verbessern - für ihn ein Mittel, den Sozialismus auf friedlichem Wege zu erreichen. Diese auf Reform gerichtete Auffassung brachte ihn in Gegensatz zur SPD-Linken. Die Parteiführung befürchtete ihrerseits ein zu selbständiges Handeln der Gewerkschaften. Die spektakuläre Zunahme der gewerkschaftlichen Mitgliederzahlen stärkte Legiens Position.

Carl Legien 1920. Bildarchiv SAPMO-BArch Y10-561/00

Insgesamt war Legien 20 Jahre Reichstagsabgeordneter. 1914 befürwortete er die Bewilligung der Kriegskredite. Obwohl Gründungsmitglied der II. Internationale, Initiator einer internationalen gewerkschaftlichen Zentralstelle und 1913 Präsident des Internationalen Gewerkschaftsbundes, hielt er es für selbstverständlich, dass im Kriegsfalle die Arbeiter zu ihrem Vaterland stünden. Die Novemberrevolution begrüßte er, lehnte aber die Räteherrschaft ab. Mit dem Ziel einer von Arbeitern mitbestimmten Wirtschaftsdemokratie betrieb er die Bildung einer Zentralarbeitsgemeinschaft mit den Unternehmern und setzte u.a. den Achtstundentag durch. Seine Bereitschaft, pragmatisch zu verhandeln, wurde von den Linken scharf kritisiert. 1920 hatte der Aufruf zum Generalstreik des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes mit Legiens Unterschrift entscheidenden Anteil am Scheitern des Kapp-Putsches. Im Dezember des selben Jahres starb er.

Carl Legien mit Clara Zetkin und Emma Ihrer in London 1896. Archiv DGB

Louise Zietz

25.3.1865 Bargteheide/Holstein-27.1.1922 Berlin

 

Louise Körner, Kind einer Weber- und Heimarbeiterfamilie, musste schon früh im väterlichen Betrieb mitarbeiten. Mit 14 Jahren verdingte sie sich als Dienstmädchen und Fabrikarbeiterin in Hamburg, machte aber später an der dortigen Fröbelschule eine Ausbildung zur Kindergärtnerin. Nach ihrer Heirat mit dem Hafenarbeiter Karl Zietz - die Ehe bestand nur kurze Zeit - begann sie 1892 mit 27 Jahren in der Hamburger SPD und im Fabrikarbeiterverband aktiv zu werden. Während des großen Hafenarbeiterstreiks 1896/97 fiel sie erstmalig als Rednerin auf. Ihr Organisations- und Redetalent stellte sie ganz in den Dienst der proletarischen Frauenbewegung. Seit 1897 war sie Mitarbeiterin der von Clara Zetkin redigierten Frauenzeitschrift „Die Gleichheit". Sie schrieb auch für andere sozialdemokratische Blätter und hielt in ganz Deutschland unzählige Reden. Von 1897 bis 1913 nahm sie an allen Parteitagen und Frauenkonferenzen der SPD und an den meisten internationalen Sozialistenkongressen teil.

Louise Zietz 1919. Sie sprach für die USPD-Leitung bei der Beisetzung Karl Liebknechts am 25. Januar 1919 sowie am 13. Juni desselben Jahren am Grabe Rosa Luxemburgs. Eine Vereinigung mit der KPD lehnte sie allerdings 1920 ab. Bildarchiv SAPMO-BArch Y10-26896

Wiederholt geriet sie mit den Vereinsgesetzen in Konflikt, die Frauen die Mitwirkung in politischen Vereinigungen verboten. Nach der Aufhebung des Verbots 1908 gehörte Louise Zietz als erste Frau dem Parteivorstand der SPD an, zuständig für die Agitation unter den Frauen. Bei Kriegsausbruch 1914 unterstützte sie zunächst die Politik des Parteivorstandes, entwickelte aber bald Vorbehalte. Im Juni 1915 unterschrieb sie Liebknechts „Offenen Brief" gegen die Burgfriedenspolitik der SPD-Führung und beteiligte sich 1917 an der Gründung der USPD. Sie wurde als geschäftsführende Sekretärin in den Parteivorstand gewählt. Die Vorkämpferin für das Frauenwahlrecht zog 1919/20 für die USPD in die Nationalversammlung ein und vertrat ihre Partei seit 1920 im Reichstag. Dort erlitt sie am 26. Januar 1922 einen Herzinfarkt und verstarb in der folgenden Nacht.


Der SPD-Vorstand während des Parteitages 1909 in Leipzig. Stehend von links: Louise Zietz, Friedrich Ebert, Hermann Müller-Franken, Robert Wengels. Sitzend: Alwin Gerisch, Paul Singer, August Bebel, Wilhelm Pfannkuch, Hermann Molkenbuhr. Landesarchiv Berlin



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