Der Pergolenweg

Der Begriff „Pergolenweg" bezeichnet die Gräberanlage, die unmittelbar hinter der Ringmauer der Gedenkstätte beginnt und sich in Richtung Feierhalle auf der linken Seite erstreckt. Dieser Bereich war ursprünglich nicht für Ehrengräber vorgesehen. Aber bereits ab 1952 wurde er schrittweise zu einer Ehrengrabanlage ausgebaut.

Zentralfriedhof Friedrichsfelde, Plan vom 13. Februar 1933 (Ausschnitt). Links (1) das Rondell, auf dem später die Gedenkstätte entstand und (2) der Stichweg, an dem 1952 die Abteilung „Hinter dem Ehrenmal" angelegt wurde. Ab Ende 1957 fanden die Ehrenbestattungen an dem mit (3) bezeichneten Abschnitt des Pergolenweges (hier „Pergolaweg") statt. Die späteren Erweiterungen des Urnenfeldes (4) wurden ebenfalls „Pergolenweg" genannt. Archiv Zentralfriedhof Friedrichsfelde

Die SED-Führung wurde 1951/52 mit den ersten Anträgen auf Bestattung in der Ringmauer konfrontiert. Das betraf beispielsweise den 1951 verstorbenen Reformpädagogen und Gymnasiallehrer Ernst Wildangel. Die Parteiführung lehnte es ab, Wildangel in der Gedenkstätte zu bestatten, wollte ihn aber für seine Verdienste ehren. Er wurde im Januar 1952 als erster im Stichweg unmittelbar hinter der Ringmauer der Gedenkstätte beigesetzt. Ende 1957 waren alle Grabstellen „Hinter dem Ehrenmal" belegt. Weitere Ehrenbestattungen fanden am links gelegenen eigentlichen Pergolenweg statt. 1962 wurde beschlossen, den angrenzenden Bereich zu einem Ehrenhain auszubauen. Dies verwarf das SED-Politbüro ein Jahr später aus Kostengründen und ließ stattdessen „neue Urnenbeisetzungsstellen durch einfache gärtnerische Gestaltung" am Rondell schaffen.

 

Ernst Wildangel (1891-1951), seit 1930 KPD-Mitglied, emigrierte 1933 nach Frankreich. Er wurde im Mai 1944 verhaftet und nach Deutschland verschleppt. Seit 1946 SED-Mitglied, brachte er als Berliner Stadtschulrat die Schulreform mit auf den Weg. Bildarchiv SAPMO-BArch Y10-621/00

Entwurf (1963) für den Ehrenhain am Pergolenweg. Nach einem Beschluss von 1962 wurden die Kollektive Graffunder und Kuhrt beauftragt, Vorschläge für den Ausbau zu erstellen. Aus Kostengründen kamen sie aber nicht zur Ausführung. Archiv Zentralfriedhof Friedrichsfelde

Gegenwärtig umfasst der erweiterte „Pergolenweg" rund 350 Grabstellen mit über 500 Toten. Im Unterschied zur Gedenkstätte der Sozialisten konnten auch Ehepartner und nahe Verwandte der geehrten Persönlichkeiten im „Pergolenweg" ihre letzte Ruhestätte finden. Seit 1990 werden keine neuen Nutzungsrechte mehr vergeben; nahe Angehörige können jedoch weiterhin in den bestehenden Grabstellen beigesetzt werden. Die Grabstellen haben Bestandsschutz. Die meisten der hier bestatteten Personen waren viele Jahrzehnte mit der Arbeiterbewegung verbunden; sie gehörten vor 1945 der SPD, KPD sowie der Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP) und der KPD (Opposition) an. Sie sind in der Regel als Antifaschisten verfolgt, eingekerkert bzw. in die Emigration gezwungen worden. Nach 1945 waren sie überwiegend als SED-Mitglieder in sehr verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen der SBZ bzw. DDR aktiv.

Beschluss des Sekretariats des ZK der SED über die Beisetzung Jakob Walchers am Pergolenweg. Walcher (1887-1970) leitete 1918 (mit Wilhelm Pieck) den Gründungsparteitag der KPD und wurde 1919 in die Zentrale gewählt. Später zur Gruppe der „Versöhnler" gezählt, wurde er 1928 aus der Partei ausgeschlossen. Er war Vorstandsmitglied der SAP und emigrierte nach 1933 u.a. nach Frankreich. 1946 trat er der SED bei. Bildarchiv SAPMO-BArch DY30/5459, Bl. 195

Hier befinden sich neben anderen die Grabstellen von

- Politikern wie Willi Rumpf, 1955 bis 1966 Finanzminister der DDR; Waldemar Schmidt, 1953 bis 1963 Stellvertreter des (Ost-)Berliner Oberbürgermeisters; Hilde Benjamin, wegen ihrer rücksichtslosen Urteile als Vizepräsidentin des Obersten Gerichts gefürchtet und 1953 bis 1967 Justizministerin der DDR; Greta Kuckhoff, von 1950 bis 1958 Präsidentin der DDR-Notenbank;

- Gewerkschaftern wie Carl Fugger und Rudi Goguel, der während seiner KZ-Haft das Moorsoldatenlied schuf;

- Diplomaten wie Richard Gyptner, 1955 bis 1958 DDR-Botschafter in China und 1961 bis 1963 in Polen, sowie Michael Kohl, 1974 bis 1978 Leiter der DDR-Vertretung in Bonn;

- Wissenschaftlern wie dem Atomphysiker Klaus Fuchs, in den vierziger Jahren am briti schen und amerikanischen Atombombenprogramm beteiligt, 1950 in England als Informant des sowjetischen Geheimdienstes zu 15 Jahren Haft verurteilt und nach 1959 leitend in der Kernforschung in der DDR tätig; dem Literaturwissenschaftler Bruno Kaiser; den Historikern Alfred Meusel und Rudolf Lindau; dem Philosophen Georg Klaus; dem Rechtswissenschaftler Peter-Alfons Steiniger und der Hochschullehrerin Helene Overlach;

- Künstlern wie den Schriftstellern Bruno Apitz, Hans Marchwitza und Berta Lask, dem Filmemacher Konrad Wolf, einem Sohn von Friedrich Wolf, und dem Intendanten Max Burghardt

Greta Kuckhoff (1902-1981), Volkswirtschaftlerin, seit 1935 in der KPD. Sie wurde als Mitglied der Widerstandsgruppe „Rote Kapelle" 1942 verhaftet, nach Aufhebung des Todesurteils zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt. Bildarchiv SAPMO-BArch Y10-236/00

Einige der im „Pergolenweg" bestatteten Personen, wie Herta Geffke, von 1949 bis 1958 Mitglied der Zentralen Parteikontrollkommission (ZPKK) der SED, trugen Mitverantwortung für Parteisäuberungen und stalinistische Repressalien. Andererseits sind eine Reihe der hier Ruhenden vor allem in den fünfziger Jahren verfolgt, gemaßregelt, diskriminiert oder verurteilt worden. Zu ihnen gehören Paul Merker und Hans Schrecker. Beide wurden 1952 im Zusammenhang mit Überprüfungen von Westemigranten und ihrer Kontakte während des Krieges zur Hilfsorganisation des Amerikaners Noel Field als „feindliche Agenten" verhaftet, zu acht Jahren Haft verurteilt und 1956 freigelassen. Im gleichen Kontext gerieten Jacob Walcher und Maria Weiterer ins Visier der ZPKK. Walcher wurde 1951 als Chefredakteur der Gewerkschaftszeitung „Tribüne" entlassen und aus der SED ausgeschlossen, Maria Weiterer 1950 als Sekretärin des Bundesvorstands des Demokratischen Frauenbunds (DFD) abgelöst und aus der Partei ausgeschlossen. Sie alle sind 1955/56 wieder in die SED aufgenommen worden, blieben aber im politischen Abseits. Tragisch war das Schicksal von Fritz Sperling, der 1944 von Noel Field Hilfe für seine kranke Frau Lydia erhalten hatte. 1951 war er Zweiter Vorsitzender der KPD in der Bundesrepublik Deutschland, wurde in die DDR gelockt und hier zu sieben Jahren Haft verurteilt. 1956 schwerkrank entlassen, starb er zwei Jahre später.


Paul Merker (1894-1969), seit 1918 USPD-, seit 1920 KPD-Mitglied. 1930 wegen „linker" Abweichungen aus ZK und Politbüro (PB) entfernt. Er emigrierte 1934 nach Frankreich und Mexiko und war seit 1935 wieder ZK- und PB-Mitglied. Ab 1946 gehörte er der SED-Führung an, wurde 1950 als ehem. „Westemigant" aus der Partei ausgeschlossen und später im Zuge antizionistischer Verfolgungen zu Zuchthaus verurteilt. Nach seiner Haftentlassung 1956 arbeitete er als Lektor im Aufbau-Verlag. Er erlangte keine politische Bedeutung mehr. Bildarchiv SAPMO-BArch Y10-1609/65



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