Inneres Rondell - Zwei Sozialdemokraten, zwei Kommunisten

Rudolf Breitscheid

2.11.1874 Köln-24.8.1944 KZ Buchenwald

 

Rudolf Breitscheid war Sohn eines Buchhandlungsgehilfen. Er promovierte 1898 in Nationalökonomie und arbeitete zunächst als Redakteur in Hamburg und Hannover. 1912 trat er von der liberalen Freisinnigen Vereinigung in die SPD über. Er war Soldat im Ersten Weltkrieg. Wegen der Kriegsbilligung geriet er in Widerspruch zu seiner Partei. Er trat 1917 zur USPD über und gab deren Zeitschrift „Der Sozialist" heraus. Während der Novemberrevolution wurde Breitscheid preußischer Innenminister und war seit 1920 Mitglied des Reichstags.

Rudolf Breitscheid (links) auf dem SPD-Parteitag 1927 in Kiel. Neben ihm Otto Wels und Arthur Crispien. Sein Grab befindet sich auf dem Südwestfriedhof in Stahnsdorf bei Berlin. Bildarchiv SAPMO-BArch Y10-637/72

Nach der Vereinigung von USPD-Minderheit und SPD 1922 befasste er sich hauptsächlich mit Außenpolitik und half als Fraktionsvorsitzender die Versöhnungspolitik Gustav Stresemanns gegenüber Frankreich parlamentarisch abzusichern. 1926 berief ihn Außenminister Stresemann in die Völkerbunddelegation. Er gehörte seit 1931 dem SPD-Parteivorstand an. Ende März 1933 emigrierte Breitscheid in die Schweiz und dann nach Paris. Dort beteiligte er sich an Bestrebungen, eine deutsche Volksfront gegen die NS-Diktatur zu schaffen. Im Februar 1941 wurde er von der französischen Polizei an die Gestapo ausgeliefert. Nachdem 1942 ein „Hochverratsprozess" gegen ihn fallengelassen wurde, kam er in das KZ Sachsenhausen und 1943, zusammen mit seiner Frau Toni, nach Buchenwald. Während eines Luftangriffs auf ein benachbartes Rüstungswerk erlitt er tödliche Verletzungen.

Franz Künstler

13.5.1888 Berlin-10.9.1942 Berlin

 

Franz Künstler lernte Maschinenschlosser. Er trat schon früh den Gewerkschaften und der sozialistischen Arbeiterjugend bei und war seit 1906 SPD-Mitglied. Am 1. Mai 1916 war er dabei, als Karl Liebknecht auf der Antikriegskundgebung verhaftet wurde. Selbst einberufen, nahm er am ersten Reichskongress der Soldatenräte teil. Er gehörte zur Führung der Berliner USPD und war stellvertretender Stadtverordnetenvorsteher in Neukölln. Ab 1920 war er mit kurzer Unterbrechung Mitglied des Reichstags. Seit 1922 (mit der USPD-Minderheit) wieder in der SPD wurde er zwei Jahre später Vorsitzender des Berliner Landesverbands und 1933 auch Mitglied des Parteivorstands.

Franz Künstler spricht 1927 auf einem Treffen der Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ) im Schillerpark in Berlin-Wedding. Zu Künstlers Beerdigung 1942 fanden sich mitten im Krieg über tausend Sympathisanten auf dem Friedhof Baumschulenweg ein. Gedenkstätte Deutscher Widerstand

Im Juni dieses Jahres wurde er zusammen mit Friedrich Ebert jun. und anderen in das KZ Oranienburg verschleppt. Als schwerkranker Mann Ende August 1934 entlassen, fand er in Berlin Arbeit. An führender Stelle beteiligte er sich am Aufbau eines informellen Kontaktnetzes gesinnungstreuer Anhänger der SPD, die bei Gesangstreffen oder Beerdigungen verfolgter Genossen zu Tausenden - in einer Art stummen Protests - zusammenkamen. Künstler stand der von Otto Brass und Hermann Brill begründeten Volksfrontgruppe nahe, die sich zeitweise um Verbindungen zur illegalen KPD bemühte. 1938 wurde er von der Gestapo mehrmals festgenommen, verhört und misshandelt. Trotz seines akuten Herzleidens wurde er zu schwerer Arbeit dienstverpflichtet und starb am 10. September 1942 an den Folgen.

Ernst Thälmann

16.4.1886 Hamburg-18.8.1944 KZ Buchenwald

 

Ernst Thälmann musste schon als Volksschüler im Kolonialwarenladen seines Vaters in Hamburg helfen. Ab 1900 arbeitete er unter anderem als Transport- und Landarbeiter. Seit 1903 war er in der SPD und ein Jahr später im Transportarbeiterverein aktiv. Im Dezember 1920 trat er, inzwischen in der USPD, zur KPD über. Als Vertreter der Parteilinken begann sein Aufstieg in der KPD. Mit seiner einfachen, kräftigen Sprache vermochte er vor allem unter der Arbeiterschaft Popularität zu gewinnen. 1924 kam er mit den linken Intellektuellen Ruth Fischer und Arkadi Maslow gewissermaßen als proletarisches Gegengewicht in die Parteiführung. Er zog in den Reichstag ein und wurde in das Exekutivkomitee der Kommunistischen Internationale (Komintern) gewählt. 1925 wurde er als Kandidat für das Amt des Reichspräsidenten in ganz Deutschland bekannt. Als die Komintern die Fischer-Maslow-Führung absetzte, stieg Thälmann, der im sowjetischen Modell die einzige Alternative zu Ausbeutung und Unterdrückung sah, mit Unterstützung Stalins zum KPD-Vorsitzenden auf.

John Schehr und Ernst Thälmann (2. und 3. von links) bei einem Aufmarsch der KPD und des Roten Frontkämpferbundes (RFB) in Hamburg-Altona am 4. Mai 1928 anlässlich der Reichstagswahl. Bildarchiv SAPMO-BArch Y10-1367/67

Mit der Losung „Bolschewisierung der KPD" wurde unter Thälmann die innerparteiliche Demokratie zunehmend abgebaut. Ende der zwanziger Jahre übernahm die Partei die von Stalin vorgegebene These, die Sozialdemokratie sei der Hauptfeind und ein Zwillingsbruder des Faschismus, was sich verheerend auf den Kampf gegen die Nationalsozialisten auswirkte und die kommunistischen Appelle zur Schaffung einer antifaschistischen Einheitsfront abwertete. Trotzdem gelang es der KPD, stärkeren Rückhalt in der Wählerschaft zu gewinnen. 1928 wurde Thälmann vom ZK abgesetzt. Dass er dennoch als Parteivorsitzender blieb, verdankte er dem persönlichen Eingreifen Stalins. Thälmann wurde am 3. März 1933 verhaftet und widerstand mehr als elf Jahre Folter, Einzelhaft und Korrumpierungsversuchen. So wurde er zu einer Symbolfigur des Antifaschismus weit über die Anhänger der KPD hinaus. Stalin hat, auch nach dem Pakt mit Hitler 1939, jeden Versuch unterlassen, Thälmanns Leben zu retten. Am 18. August 1944 ist Thälmann in Buchenwald ermordet worden.

John Schehr

9.2.1896 (Hamburg-)Altona-1.2.1934 Berlin

 

Der Arbeitersohn lernte Schlosser und arbeitete bis 1927 im Hamburger Hafen. Mit 16 Jahren trat er in die SPD und bald darauf in die Gewerkschaft ein. 1919 wurde er Mitglied der USPD, im nächsten Jahr der KPD. Als Parteifunktionär war er bei den Hafenarbeitern beliebt und kam 1925 in die Leitung des KPD-Bezirks Wasserkante. Im gleichen Jahr wählte ihn der Parteitag als Kandidat ins Zentralkomitee der Partei. Mit Thälmann persönlich befreundet, stand er in allen innerparteilichen Auseinandersetzungen auf dessen Seite und unterstützte ihn bedingungslos. 1928 wurde er wie dieser vom ZK der KPD aller seiner Funktionen enthoben. Nach Thälmanns Wiedereinsetzung war er ab 1929 Mitglied des Zentralkomitees und ab dem folgenden Jahr Sekretär der KPD-Bezirksleitung Niedersachsen, wo er in der Partei den Kampf gegen „Ultralinke" und „Versöhnler" führte.

John Schehr und seine Frau Anna Anfang der 30er Jahre. 1954 wurden seine sterblichen Überreste aus Marzahn nach Friedrichsfelde überführt und in der Gedenkstätte beigesetzt. Bildarchiv SAPMO-BArch Y10-2382


Seit 1929 ZK-Mitglied, wurde er 1930 politischer Sekretär der KPD-Bezirksleitung Niedersachsen. 1932 wurde er in den Preußischen Landtag und in den Reichstag gewählt. Im selben Jahr wurde er Sekretär des ZK und Politbüro-Mitglied. Nach Thälmanns Verhaftung im März 1933 übertrug die Kommunistische Internationale Schehr die politische Leitung der KPD. Bereits im November wurde er durch Verrat verhaftet und am 1. Februar 1934 von der Gestapo ermordet. Dies versuchten seine Mörder mit der Behauptung zu vertuschen, John Schehr sei mit drei seiner Genossen auf der Flucht erschossen worden.



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